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David Sinclair: Der Mann, der das Altern herausfordert

Altern ist kein Schicksal – sondern eine behandelbare Krankheit. Mit dieser provokanten These hat David Sinclair, Genetik-Professor an der Harvard Medical School, die Welt der Biowissenschaften auf den Kopf gestellt. Seine Forschung, Bücher und öffentlichen Auftritte haben ihn zu einem der bekanntesten Gesichter der Longevity-Bewegung gemacht. Doch wer ist dieser Mann, der behauptet, wir könnten das biologische Alter unserer Zellen zurückdrehen?

Vom australischen Studenten zum Harvard-Visionär

David Andrew Sinclair wurde 1969 in Sydney geboren. Schon früh interessierte er sich für die Biologie des Alterns – ein Thema, das damals noch als Randgebiet galt. Nach seinem Studium der Biochemie und Molekulargenetik an der University of New South Wales promovierte er und wechselte ans renommierte MIT, wo er unter Leonard Guarente die Rolle von Sirtuinen erforschte – Proteine, die mit Zellalterung und Lebensdauer in Verbindung stehen.

Seit 1999 forscht Sinclair an der Harvard Medical School und leitet dort das Paul F. Glenn Center for Biology of Aging Research. Er ist Mitgründer mehrerer Biotech-Unternehmen, darunter Life Biosciences, die sich auf epigenetische Reprogrammierung und Gentherapie zur Altersumkehr konzentrieren.

Die Informationstheorie des Alterns

David Sinclairs zentrale Hypothese: Altern ist ein Informationsverlust. Nicht genetische Mutationen, sondern epigenetische Fehlsteuerungen – also Störungen in der Genregulation – seien die Hauptursache für den körperlichen Verfall. Diese Theorie beschreibt er ausführlich in seinem Bestseller Lifespan: Why We Age – and Why We Don’t Have To (dt. Das Ende des Alterns).

Er vergleicht unsere DNA mit einer CD – die Information bleibt erhalten, aber der „CD-Player“ (die epigenetische Steuerung) verkratzt mit der Zeit. Die Folge: Zellen verlieren ihre Identität, Gewebe degenerieren, Krankheiten entstehen.

NAD+, NMN und Resveratrol: Moleküle der Jugend?

Ein zentrales Element in Sinclairs Forschung ist NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) – ein Molekül, das für Zellenergie und DNA-Reparatur essenziell ist. Mit dem Alter sinkt der NAD+-Spiegel, was zu Funktionsverlusten führt. Sinclair untersucht daher Substanzen wie NMN (Nicotinamid-Mononukleotid) und Resveratrol, die den NAD+-Spiegel erhöhen und die Aktivität von Sirtuinen fördern.

In Tierstudien zeigte NMN beeindruckende Effekte: verbesserte Muskelkraft, bessere Insulinsensitivität und sogar eine verlängerte Lebensspanne. Beim Menschen sind die Studien noch jung, aber vielversprechend.

Epigenetische Reprogrammierung: Der Reset-Knopf für Zellen

Besonders spektakulär ist Sinclairs Arbeit zur epigenetischen Reprogrammierung. Dabei werden Zellen mithilfe der sogenannten Yamanaka-Faktoren (Oct4, Sox2, Klf4, c-Myc) in einen jüngeren Zustand zurückversetzt – ohne ihre Identität zu verlieren.

In Mäusen konnte sein Team bereits die Sehkraft wiederherstellen und altersbedingte Schäden rückgängig machen. 2023 gelang dies erstmals auch bei Primaten. Der nächste Schritt: klinische Studien am Menschen.

Die „Unsterblichkeitspille“?

2025 sorgte Sinclair für Aufsehen, als er in einem Podcast eine „Pille“ erwähnte, die innerhalb von vier Wochen deutliche Verjüngungseffekte zeigen soll. Die genaue Zusammensetzung ist geheim, doch es wird spekuliert, dass es sich um eine Kombination aus NAD+-Boostern, Sirtuin-Aktivatoren und epigenetischen Modulatoren handelt.

Ob diese „Pille“ tatsächlich das Altern umkehrt, bleibt abzuwarten. Doch die Forschung schreitet rasant voran – und Sinclair ist mittendrin.

Lifestyle als Longevity-Strategie

Sinclair lebt, was er erforscht. Seine tägliche Routine ist ein Paradebeispiel für wissenschaftlich fundiertes Biohacking:

Er misst regelmäßig sein biologisches Alter – und liegt laut eigenen Angaben etwa zehn Jahre unter seinem chronologischen Alter.

Kritik und Kontroversen

Sinclairs Arbeit ist nicht unumstritten. Einige Wissenschaftler werfen ihm vor, seine Ergebnisse zu stark zu vereinfachen oder zu kommerzialisieren. Besonders seine Aussagen zur Altersumkehr bei Hunden und Primaten sorgten für Diskussionen – und führten 2024 sogar zu seinem Rücktritt als Präsident der Academy for Health and Lifespan Research.

Auch die schnelle Veröffentlichung einiger Studien, bei denen Sinclair als Herausgeber beteiligt war, wurde kritisiert. Dennoch bleibt seine wissenschaftliche Arbeit solide und gut dokumentiert – und seine Vision inspiriert Millionen.

Einfluss auf die Longevity-Industrie

David Sinclair ist nicht nur Forscher, sondern auch Unternehmer. Er hat mehrere Firmen gegründet, darunter MetroBiotech, Tally Health und Life Biosciences, die sich mit NAD+-Vorläufern, epigenetischer Diagnostik und Anti-Aging-Produkten beschäftigen.

Sein Einfluss auf die Longevity-Industrie ist enorm: Er hat das Thema aus dem Labor in die Öffentlichkeit gebracht und eine neue Generation von Biohackern, Ärzten und Investoren inspiriert.

MetroBiotech – Pharmazeutische NAD+-Booster

MetroBiotech ist eines der zentralen Unternehmen in Sinclairs Portfolio. Gegründet gemeinsam mit Dr. Rajendra Apte, konzentriert sich MetroBiotech auf die Entwicklung von NAD+-Vorläufern wie NMN (Nicotinamid-Mononukleotid), die als Medikamente gegen altersbedingte Krankheiten eingesetzt werden sollen. [A Sneak Pe…cal Trials]

Das Unternehmen führt derzeit mehrere Phase-2-Studien durch, unter anderem zur Wirkung von NMN auf:

  • Kardiovaskuläre Fitness
  • Alzheimer-Erkrankung
  • Diabetische Nierenerkrankungen

Die Studien verwenden eine pharmazeutische Formulierung namens MIB-626, die gezielt NAD+ im Körper erhöht. MetroBiotech erforscht auch neue NAD+-Moleküle wie MIB-725, die über alternative Synthesewege wirken und möglicherweise über 50 Krankheiten beeinflussen können. [MetroBiote…AD booster]

Tally Health – Longevity für Konsumenten

Tally Health ist Sinclairs Antwort auf die Frage: Wie bringt man wissenschaftliche Erkenntnisse direkt zu den Menschen? Das Unternehmen bietet ein Mitgliedschaftsmodell, das Folgendes umfasst:

  • Epigenetische Altersmessung via Wangenabstrich (TallyAge™)
  • Personalisierte Lifestyle-Empfehlungen basierend auf DNA und Gewohnheiten
  • Tägliches Longevity-Supplement namens Vitality, mit Inhaltsstoffen wie Resveratrol, Spermidin, Fisetin und Quercetin

Die TallyAge™-Analyse basiert auf über 850.000 DNA-Methylierungsstellen und einem Machine-Learning-Modell, das aus über 8.000 Proben trainiert wurde. Ziel ist es, die biologische Uhr zu verstehen – und zurückzudrehen.

Tally Health wird von L Catterton, einem der größten Konsumgüter-Investoren weltweit, finanziell unterstützt und hat eigenen Angaben zufolge bereits über 270.000 Interessenten auf der Warteliste.

Life Biosciences – Zellverjüngung durch Reprogrammierung

Life Biosciences ist David Sinclairs ambitioniertestes Projekt: Das Unternehmen entwickelt Gentherapien zur epigenetischen Reprogrammierung, basierend auf den Yamanaka-Faktoren (Oct4, Sox2, Klf4). Ziel ist es, Zellen in einen jüngeren Zustand zu versetzen – ohne sie zu entarten.

Zwei vielversprechende Wirkstoffe sind:

  • ER-300: Verbessert Leberfunktion in MASH-Mausmodellen (altersbedingte Lebererkrankung)
  • ER-100: Stellt DNA-Methylierung und neuronale Regeneration in Primaten mit Augenerkrankungen wieder her

ER-100 soll 2026 in klinische Studien am Menschen überführt werden – ein Meilenstein in der Longevity-Forschung. Die Ergebnisse stützen Sinclairs Informationstheorie des Alterns, wonach der Verlust epigenetischer Information die Hauptursache für Zellalterung ist.

Die Zukunft: Altern als behandelbare Diagnose?

Was erwartet uns in den nächsten Jahren? Sinclair glaubt, dass wir kurz davor stehen, das biologische Alter gezielt zu beeinflussen – durch Gentherapie, epigenetische Modulation und personalisierte Medizin. Er prognostiziert, dass wir in naher Zukunft Medikamente haben werden, die das Altern nicht nur verlangsamen, sondern umkehren können.

Dabei geht es nicht um Unsterblichkeit, sondern um Healthspan – also die Zeit, in der wir gesund und leistungsfähig leben. 100 gesunde Lebensjahre könnten bald Realität sein.


Quellen & weiterführende Literatur


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